Blog #25
Wie funktioniert Gesellschaft in Zeiten der Krise? Wie weit reicht unsere Verantwortung über unser eigenes Dasein hinaus? Bedeutet Mitbürger zu sein, solidarisch zu sein? Bedeutet Weltbürger zu sein, solidarisch zu sein?
Nun, was sich mir bisweilen deutlich zeigt, ist die Argumentation aus einer Kälte heraus. Aus einem Mangel an Empathie. Ich könnte es als ein Überbleibsel aus der Verblendung der Wissenschaft betrachten. Als den Irrweg des evolutionären Humanismus. Des vermeintlich wissenschaftlich begründeten Up – und Downgrades unterschiedlicher Ethnien, der Vorstellung der unterschiedlichen Rassen und ihrer vermeintlich objektiven evolutionär bedingten Qualität, der Einteilung in lebenswertes und lebensunwertes Leben. Schlicht der Überführung dieses biologistischen Irrwegs in den Faschismus. Um es weniger intellektuell zu formulieren: Der Stärkere setzt sich durch!
Für mich wird hier allerdings deutlich, dass Wissenschaft nicht im luftleeren Raum stattfindet, sondern eine Weltsicht zu begründen sucht, die in uns Menschen liegt. Das birgt viele Abgründe. Der Vorteil der wissenschaftlichen Methode – so man sie ernst nimmt – liegt schlicht daran, dass man bereit ist, eine Hypothese in Frage zu stellen, evidenzbasiert zu korrigieren oder zu festigen. Mein vorhergehender Blog hat sich intensiv mit Glaubenssätzen beschäftigt. Der Vorteil der wissenschaftlichen Methode ist aus meiner Sicht, den Aspekt des Zweifels zu institutionalisieren. Eine Weltsicht auf Möglichkeiten zu bauen und nicht auf Dogmen. Nun kommt wohl schnell die Assoziation, dass der Begriff Möglichkeit auf Sand gebaut scheint, während der Begriff Dogma ein Fundament aus Beton verspricht. Beides führt in seiner extremen Form zu für uns lebensfeindlichen Räumen…
Also, der Stärkere setzt sich durch… Der evolutionäre Humanismus hat vermeintlich objektiv zu begründen gesucht, was in uns Menschen ist. Das bei dem Kampf des Lebens in einem vermeintlich lebensfeindlichen Universum – in unserer lebensfeindlichen Welt – auf Einzelschicksale keine Rücksicht genommen werden kann. Und auch wenn wir in unmittelbarer zeitlicher Nähe, als moderne Menschen, die Erfahrung gemacht haben, in welchen Abgrund führt, wenn wir der Evolution helfen dem beschriebenen Werk konsequent zur Wirkung zu verhelfen, fallen Menschen doch immer wieder diesem Fatalismus anheim. Und auch wenn sämtliche wissenschaftlichen Zweige – und der aus meiner Sicht gesunde Menschenverstand – immer eindrücklicher belegen, dass der Schlüssel für erfolgreiches Dasein, auch für zukünftige Generationen jedweder Art, die Diversität ist. DAS KRIEGST DU AUS UNS NICHT RAUS!!!
Es gibt die Lehrmeinung, dass Selektion in unserer archaischen Entwicklung überlebensnotwenig war. Das reflexartige Angst vor Unbekanntem Überleben gesichert hat. Das mag für das Rückenmark zutreffen. Aber wir haben ein Hirn und durchaus die Möglichkeit unsere Reflexe zu hinterfragen. Damit will ich nicht der rein vernunftbezogenen, sich auf den Logos berufenden Weltsicht das Wort reden. Damit sind wir im silicon valley gelandet. Einer technikgläubigen Effizienz- und Optimierungsmaschine, die uns mehr zu verbesserungswürdigen Maschinen macht, als uns als Teil des Tierreichs zu begreifen. Das als Dogma ist aus meiner Sicht ebenfalls kein Heilsversprechen. Jede Disziplin, die sich damit beschäftigt unsere Psyche zur Genesung zu verhelfen, führt uns aus dem Computer-Ich, in ein naturbezogenes Sein zurück…
Aber egal welche Argumentation herhalten muss, um den Kernsatz, an dem ich mich abarbeite, zu begründen. Für Lebewesen, wie wir es nun mal sind; die in der Lage sind, die Echowirkung ihres Handelns zu erfassen und zu reflektieren, ist aus meiner Sicht nicht zulässig, sich mit diesem Satz aus der Verantwortung zu stehlen. Achtung Polemik:
In unserer modernen Welt setzt sich nicht der Stärkere durch, sondern schwächliche Psychopathen und Narzissten, Dogmen und Ideologien, die nicht bereit sind Diversität zu akzeptieren. Die nur bereit sind Verantwortung für ihre Sippe oder ihre Kernfamilie oder gar nur für sich selbst zu übernehmen. Oft sogar nicht mal das. Und ihr Lebenszweck ist der, innerhalb der Sippe, Kernfamilie oder ausschließlich vor sich selbst, den Status des Gewinners zu erlangen.
Zurück zur Sache: Natürlich ist es große Herausforderung, sich zu verantworten. Schon alleine vor sich selbst, geschweige den vor anderen. Und moralische Ansprüche können uns bisweilen klein fühlen lassen, uns Dinge nicht mehr genießen lassen, die uns das Leben lebenswert machen. Aber dann macht es doch Sinn den Anspruch, den wir an andere und uns selbst stellen zwar nicht zwingend zu verringern. Entwicklung braucht Ansprüche! Aber doch zumindest ein Scheitern zuzugestehen. Widersprüche zuzugestehen. Die eigenen, wie auch die der anderen. Die Moral, die aus Verantwortung erwächst nicht als Last zu empfinden, die uns die Lust am Leben nimmt. Zugegebenermaßen schwer bei unserem theologischen Erbe…
So haben wir – und ich zähle mich definitiv dazu – moralischen Menschen viele verloren, die wir zu überzeugen suchen. So überzeugend unsere Argumente daherkommen, so sehr begleitet sie der Geruch der Moral, bei dem sich viele die Nase zuhalten und sich abwenden. Mit denen kommen wir nicht mehr in einen integrierenden Diskurs. Und was machen wir Moralisten dann? Wir zermetzeln uns dann gerne mal gegenseitig mit den unterschiedlichen Graduierungen der Moral. Denkt das mal bis zum Ende durch. Es bliebe die eine alternativlose Art zu handeln, die alles mit allem in Ausgleich bringt.
Herrjeh…
Schaut bisschen last one laughing, begegnet Drama auch mit schwarzem Humor, verzeiht euch eure Widersprüche und eure Dogmen. Aber denkt – bestenfalls handelt – verantwortlich und solidarisch. Und wenn ihr dabei an euren Ansprüchen scheitert, und auch wenn ihr keine Lust habt moralische Ansprüche an euch selbst zu stellen, dann unterstützt Menschen, die dies tun. Gebt ihnen eure Stimme. Und beschimpft sie nicht dafür, dass sie empathisch sind oder euch eure Selbstbezogenheit unter die Nase reiben. Und genau so würde ich mich freuen, wenn Leute wie ich dies auch nicht mit erhobenem Zeigefinger tun. Und weiter das Hohelied der Diversität singen, statt sich an vermeintlichen Unmenschen abzuarbeiten.
Lasst es euch gut gehen und bleibt gesund.
Joachim
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